Freiheit ... was man darunter versteht

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Freiheit als liebevoller Dienst

Freiheit wird - fragt man sich selbst, was einem als Erstes dazu einfällt – im Allgemeinen am ehesten als ein erstrebens- bzw. behaltenswerter Zustand der Unabhängigkeit verstanden. Frei fühlt man sich von Zwängen oder von Bevormundung in der ungehinderten Ausübung des eigenen Willens, unfrei hingegen in derjenigen Art der Einschränkung, die dem Gewollten entgegensteht.

Man griffe freilich zu kurz, wollte man unter 
Freiheit nur Freiheit von jemandem/etwas verstehen. Darauf weist schon der Sprachgebrauch, der ja nicht nur die Wendung sich von etwas befreien, sondern auch zu oder für etwas frei sein kennt. Darauf weist aber auch die Wortherkunft.

Frei lässt sich auf die indoeuropäische Wurzel prai- bzw. prî- (›lieben, gern haben, schonen‹) zurückführen. Das p im Anlaut wurde bereits vor der Zeitenwende zum f (wie bei piscis ›Fisch‹), das lange i erst später, im Mittelalter, zum ei (wie bei mîn ›mein‹ und dîn ›dein‹). Die Entwicklung von ›lieb‹ zu ›frei, unabhängig‹ erklärt sich aus einer Vorstellung ›zu denen gehörig, die man gern hat und schont‹: zu den Verwandten und Stammesgenossen (im Gegensatz zu den stammesfremden Unfreien und Kriegsgefangenen). Zu derselben Wortsippe zählen Freund (ursprünglich: ›Nahestehender‹, auch ›Verwandter‹), freien (›heiraten wollen, werben‹) und Friede (ursprünglich: ›Zustand des Wohlwollens, der Schonung‹). Freiheit war also ehemals das, was man dem Freund gewährte; ihn ließ man in Frieden, schonte ihn, wohingegen man sich des Feindes, des Fremden (›Entfernten‹, nicht Nahestehenden) bemächtigte, ihn zum Gefangenen und Sklaven machte.

Freiheit hatte, wie sich zeigt, für die, auf deren Sprache die unsere zurückgeht, ursächlich mit Liebe zu tun. In diesem Sinne definierte der Philosoph Martin Heidegger Freiheit als „Seinlassen“, womit er nicht ›etwas unterlassen, sich davon abwenden‹ meinte, sondern ›etwas es selbst sein lassen, ihm seine Eigentümlichkeit erlauben‹. Also nicht: sich von etwas, sondern für etwas frei machen. Und dabei vielleicht eine Freundschaft, eine unbekannte Verwandtschaft des Wesens entdecken. Vielleicht aber auch den Doppelcharakter der Freiheit, die, recht verstanden, auch Unfreiheit immer mit einschließt: Denn „im liberalen Sinne heißt liberal nicht nur liberal“ (Loriot).

Das ist ein alter Gedanke, der allerdings in früheren Zeiten deutlicher religiös-moralische Züge trug. Wahre Freiheit meint zugleich Dienst aus Liebe. In Martin Luthers exemplarischer Formulierung: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“ 


Jochen A. Bär  (Quellenangabe)





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