Diese Stadt befindet sich auf dem Gipfel eines etwa 1500 m hohen Berges bei Anandpur Sahib. Wir sind morgens vor 4 Uhr aufgestanden und dorthin gefahren. Von der Stadt aus geht es noch weiter hoch zu einem Hindu-Tempel. Von dort aus habe ich die Stadtdächer fotografiert.
Das ist der Sikh Shiv Sharan, wie er einen Affen in seine Schranken weist. Einen Sikh erkennt man bei Männern äußerlich vor allem an dem langen Bart und dem Turban. Die sehr gläubigen Sikh tragen auch noch ein Schwert. Bei Shiv kann man den türkisfarbenen Umhängegurt seines Schwertes sehen. Mit Shiv zusammen sind wir auf diesen Berg gefahren. Den Affen geht's am Hindu-Heiligtum gut, da die Hindus auch den Affengott Hanuman verehren.
Und bevor man zum Hindu-Tempel gelangen kann, muß man erst durch das Spalier der Affen durch. Sie sind oben, unten und an den Seiten.
Dem bin ich etwas zu nahe gekommmen - wie man sieht.
Das ist der Hindu-Tempel. Er besteht aus Mamor und umfasst mehrer kleine Räume dieser Art. In jedem dieser Räume befindet sich ein Bild einer Hindu-Gottheit. Es ist morgens etwa halb sechs Uhr kurz nach Sonnenaufgang. Um die Zeit ist schon viel los am Tempel.
Das Mädchen hatte auf den Stufen vor dem Tempel gesessen, bis es von einem Tempelwächter vertrieben wurde. Man sieht, daß sie nicht damit einverstanden war, wie sie behandelt wurde. Das ist mein Lieblingsbild, denn es erzählt ja so viel.
Der Himmel kurz nach dem Sonnenaufgang. Das Bild habe ich von der Bergspitze aus fotografiert.
Wir sind am Ende meiner Foto-Tour angelangt. Aber das war bestimmt nicht das letzte Mal, daß ich in Indien war. Noch kein Land hatte mich vorher so fasziniert. Es ist so anders, als was wir hier in der westlichen Welt kennen. Ich hatte einige Tage gebraucht, mich einzugewöhnen. Es ist wirklich ein Land der Extreme: eine wunderbare Natur und Menschen, die ebenso schön sind - äußerlich wie innerlich; und Städte, die im Müll versinken, Leprakranke auf der Straße - und die Menschen dort kümmern sich nicht drum.
Es gibt eine Oberschicht, die dermaßen dekandent ist, daß es wie eine Karikatur auf unseren westlichen Lebensstil erscheint. Ein Euro ist ja schon viel Geld für einen Inder aus dem Norden des Landes, aber die kleine Oberschicht hat dermaßen viel Geld, daß bei uns kaum einer mithalten könnte. Ich habe in einem Oberklasse-Hotel Geld gewechselt und die Übernachtungspreise gesehen. Es wird da für die Nacht für ein normales Zimmer ohne weiteres 400 Euro gezahlt. Ich denke den gleichen Standart bekommt man bei uns für bereits hundert Euro. Die Gesichter und wie sich die Menschen dort gaben, kam mir auch eher vor, wie kopiert aus einem amerikanischen Film über das Leben der Reichen und Schönen in Beverly Hills. Nur eben so schlecht gemacht, daß es bei uns niemand den Schauspielern abnehmen würde. Diese Oberschicht hebt sich so krass ab vom Durchschnitt des Landes, daß es für mich unreal, ja lächerlich erschien, und mir deshalb auch nicht so nahe ging: die Dekadenz ist sehr offensichtlich und ich konnte deshalb damit umgehen.
Der richtige Schock kam erst, als ich wieder zurück in Deutschland war. Alles war da nun so geordnet, strahlend sauber und funktionell. Welch ein Reichtum! Wie verbreitet er auch ist. Nach Indien erschien mir das fast unwirklich zu sein. Und dann der Schock: So viele Leute sehen sehr unglücklich aus, so abgestumpft, ja richtig krank. Schon die ersten Gesichter, die ich in der Heimat in den Zügen sah, trugen diese Zeichen. Das waren die Ehrlichen. Die meisten anderen Menschen trugen Masken. Welch eine Armut! Und ich dachte mir: was ist das für eine verdeckte Dekadenz die hier so normal ist, und so einlullend vor sich hinplätschert, daß man es bis auf eine allgemein vorherrschende Depression nicht merkt? Das Land der reichen (Seelen)Sklaven. Was ist nun die wirkliche Freiheit? - Vor vielen Jahren hatte ich eine Vision. Ich traf einen alten Mann, der so glücklich ausschaute wie dieser schöne alte Mann eben auf einem meiner Fotos. Ich sagte zu ihm: ich will so werden wie Du, was muß ich tun? Er lachte seelig, nahm einen Kreisel, brachte ihn zum drehen und sagte: Es ist ein Spiel. *
Lange schon wollte ich wissen, was das bedeutet. Seit Indien und der Erfahrung seiner klärenden Gegensätze, kenne ich nun die Bedeutung dieser Vision. Ich traf so viele Menschen, die ohne Maske einfach "waren", die ihre Spiele nicht für die Wirklichkeit hielten: ihr Leben schien eine einzige Meditation zu sein. Nicht wie der Kreisel, der zur Stabilisierung sich immer auf der Stelle um sich selber drehen muß - und wenn er es nicht mehr tut, dann fällt er - waren sie in einer viel größeren Geborgenheit beheimatet. Es heißt, daß die Wahrheit frei macht. Ja, es ist eine Freiheit, die nicht mit Angst, sondern mit Geborgenheit verbunden ist.
In der Fremde ist nicht alles besser. Ich könnte wunderbare Geschichten über meine Erlebnisse im eigenen Land erzählen. Geschichten über Ehrlichkeit und Güte. Ich wollte nicht zeigen, wieviel Indien besser oder schlechter als andere Länder ist - es ist anders. Und das ist nun wirklich wichtig, denn im Licht dieser Andersartigkeit, wird das eigene Leben und die eigene Kultur erhellt. Ich sehe plötzlich, was ich vorher nicht sehen konnte - eben weil man so leicht den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. So kann ich mich ganz neu auf eine Weise ins eigene Umfeld einbringen, die gut tut, denn ich sehe mehr und verurteile im gleichen Maße weniger. Erkennt man seine Spiele und Masken und idendifiziert man sich nicht mehr leidenschaftlich mit ihnen, oder um mit den Worten Platons aus seinem berühmten Höhlengleichnis zu reden: hält man nicht mehr die Schatten für die Wirklichkeit, dann ist man frei, das Licht zu erfahren. Das ist der Schlüssel zum Glück.
Das Friedensmal beschreibt es so: Auf dem Platz der Erkenntnis tritt man auf dem Gang ins eigene Innere über die Schwelle der Demut in den Baum des Lebens ein, der den Teufelskreis der Projektionen durchbricht. In die eigene Mitte gelangt, wendet man sich um und trägt seinen Frieden nach außen in die Welt - die ihn braucht.
Viele Grüße
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