Ohne zu übertreiben kann ich sagen, daß es die aufregendste Reise war, die ich bisher in meinem Leben gemacht habe. Bei einem Aufenthalt in Frankreich begegnete ich Leuten, die mich auf die Idee brachten an einem Seminar in Indien teilzunehmen. Indien hatte mich schon seit langem interessiert, jedoch kam es mir immer auch als ein sehr abenteuerliches Land vor. Das Seminar bot mir nun einen Grund für die Reise. Ich fragte eine Freundin von mir, von der ich wußte, daß sie sich für solche Dinge interessiert, ob sie nicht Lust hätte mit auf diese Reise zu kommen. Sie stimmte sofort begeistert zu. Nur wenige Wochen später ging es schon los. Nachmittags fuhren wir zum Frankfurter Flughafen. Während der Flugzeit machten wir erst die Reiseplanung. Unbedingt wollte ich mir das vordere Himalaya Gebiet in Nordindien anschauen. Das Seminar würde in Anandpur Sahib in Punjab stattfinden, in einer heiligen Stadt der Sikh. (Der Sikhismus entstand unter dem Einfluß des Islams als monotheistische Religion in Indien.) Nach nur ca. 9 Stunden Flugzeit landeten wir auch schon in Neu Delhi.
Es war tief in der Nacht und ein Taxifahrer brachte uns zum Hotel. Wir fuhren durch Slums, viele Menschen lagen nur mit Lendenschutz bekleidet auf den Verkehrsinseln der Straße. Das hatte ich vorher noch nie gesehen. Das Hotel befand sich also mitten im Slum! Vorbei an fast nackten Menschen gingen wir ins Hotel. Aha, dachte ich - sie haben uns hierhergebracht, daß wir nicht mehr wegkönnen: so können sie dann jeden Preis von uns verlangen... - so nagte die Angst an uns. New Delhi ist groß, ca. 11,5 Millionen Menschen. Ich wußte nicht in welcher Gegend ich nun eigentlich war. Rausgehen wollte ich in der Umgebung auch nicht.
Wer kann es einem verdenken, in solcher Situation auf diese Gedanken zu kommen. Nein, wir wurden nicht überfallen oder erpresst. Am nächsten Tag - im Hellen - stellten wir fest, daß fast ganz New Delhi so aussieht. Wir wurden also nicht extra in einen Slum gebracht... - die Umgebung ist dort einfach normal. Das Bild zeigt nicht New Delhi, sondern die sehr saubere Stadt Mandi nordöstlich von New Delhi.
Die Menschen in Indien empfand ich als sehr friedlich. Kein einziges Mal konnte ich eine offene Agressivität beobachten. Bedrohliche Kriminalität gibt es nur sehr selten, und auch die Gebiete, die wir Europäer als Slums bezeichnen, sind recht sicher.
Unsere Situation war also gar nicht bedrohlich. Allerdings haben wir viel zu viel bezahlt, und das passierte uns öfters! Eine Europäerin erzählte uns später, daß dies allen Westlern passieren würde, denn hier ist eben alles ganz anders. In den Städten kommt man - will man Taxi fahren oder übernachten - mit dem Tourismusgewerbe in Berührung. Hier weiß man genau, wie den Touristen das Geld aus der Tasche zu ziehen ist. Man muß lernen, damit umzugehen. Die Städte empfand ich vor allen Dingen deshalb als anstrengend. Man trifft auf eine Schicht von Menschen, die es bei den materiellen Dingen dem Westen nachmachen möchte und dafür ihre Freiheit verkaufen. Ich habe Menschen getroffen, die vor Angst und Scham schwitzten, als sie versuchten einen übers Ohr zu hauen. Man lernt hier, Grenzen zu setzen.
Endlich raus aus der Stadt - raus aus dem Lärm, den Müllbergen und weit weg von den Geschäftemachern. Beginnt hier das Indien, das mir gut tut?
Selten habe ich übrigens später noch Lehmhütten gesehen. Dafür aber viele kaputte Ziegelbauten - die heutige Bauweise. Die Lehmhütten sind gut für das Klima geeignet. Die Gebäude westlicher Bauart aber sehen nach einem Jahr Indien so aus, wie bei uns nach zehn Jahren.
Auf den Straßen herrscht oft viel Verkehr - und die wenigsten Fahrer würden bei uns eine Führerscheinprüfung bestehen. Nur mal ein Beispiel: Gleich wird unser Taxifahrer in die kleine Lücke hinter dem Bus rasen, wie wild die Hupe betätigen und erwarten, daß natürlich auch die entgegenkommenden Fahrzeuge alle Platz machen. Mir sagte der Fahrer dann später, ich solle nicht immer, wenn ich erschrecke, meine Finger in die Seite des Sitzes krallen. Das würde ihn nämlich ablenken, da er schon Europäer gefahren hätte, die aus Angst mitten in der Fahrt die Handbremse gezogen haben.
Das sieht auf den ersten Blick recht normal aus. Allerdings fahren sowohl der Bus als auch das Taxi mit ca. 70 Stundenkilometern. Mals sehen, wer als erster ausweicht. Reagieren die Fußgänger nicht rechtzeitig auf die Hupe, haben sie ein Problem. Den Fahrer von einem anderen Fahrstil zu überzeugen, ist Claudia und mir nicht gelungen.
Wir fahren weiter hinaus aufs Land und in die Berge. Der Verkehr wird weniger und ändert sich in seiner Art.
Noch eine nicht zu große Stadt in den Bergen. Wir fahren weiter, um in die freie Natur zu kommen.
Wie gesagt, der Verkehr ändert sich.
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