Pressemeldung vom 30. 9. 2015
Der Bericht erschien gekürzt im Bergsträßer Anzeiger am 4. Oktober 2015
Im Frieden vereint
Begegnungsfest im südhessischen Bensheim bringt Menschen zusammen
BENSHEIM/BERGSTRASSE. Am 12. Mai 1965 nahmen Deutschland und Israel ihre diplomatischen Beziehungen auf. 20 Jahre nach der Shoah, dem von Deutschland initiierten Völkermord an den Juden Europas. Besonders für Israel kein einfacher Schritt. Doch für beide Länder eine historische Chance für einen Neuanfang. Regelmäßig Staatsbesuche sollen die Partnerschaft zukunftsfähig machen.
Dass es bei der Annäherung zwischen Israel und Deutschland nicht zuletzt um die Begegnung auf gesellschaftlicher und kultureller Ebene geht, verdeutlichte am vergangenen Sonntag (27. September 2015) eine Veranstaltung im südhessischen Bensheim: Zahlreiche Menschen kamen am Friedensmal im kleinen Ortsteil Hochstädten zusammen, um ein gemeinsames Zeichen für den Frieden zu setzen. Initiator Thomas Zieringer sprach von einem "wichtigen Treffen der Generationen und Nationen". Der Künstler und Organisator wollte ein "Fest für das Leben" feiern. Trotz des sehr ernsten Themas: "Denn letztlich geht es immer um das Leben. Und das hat viel mit Freude, Liebe, Schönheit und Hoffnung zu tun. All das, wofür das Wort Yerushalayim auf dem Erinnerungsstein steht." Für Zieringer ist Jerusalem auch eine lebendige Vision einer menschlicheren Welt.
Frau Prof. Dr. Sigrid Jacobeit, Schirmherrin Batsheva Dagan und Thomas Zieringer
Shoa-Überlebende: "Gerührt, hier zu sein"
Der Vorsitzende des Vereins Friedensmal Wendepunkt e. V. freute sich besonders, dass einige internationale Gäste den Weg nach Südhessen gefunden haben. Als Schirmherrin war die Shoah-Überlebende Batsheva Dagan extra aus Holon, Israel nach Bensheim gekommen. Die 1925 in Lodz geborene Kinderpsychologin und Autorin sagte, sie sei "gerührt, an diesem wunderschönen Ort zu sein". Als Botschafterin des Friedens und der Annäherung engagiert sie sich seit vielen Jahren für eine offene Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und die Sensibilisierung von Kindern und Jugendlichen. "Es tut mir weh, dass ich euch weh tun werde", sagte die Zeitzeugin beim Rückblick auf ihre Biografie - eine Geschichte von Flucht, Vertreibung, Leid und Tod. Frau Dagan war in sechs Gefängnissen und Konzentrationslagern inhaftiert, darunter in Auschwitz und im Frauen-KZ Ravensbrück. Damals habe sie sich geschworen: "Sollte ich überleben, muss die Welt die Wahrheit wissen."
Begleitet wurde die 90-Jährige von der Ethnologin Prof. Sigrid Jacobeit von der Berliner Humboldt-Universität. Die langjährige Leiterin der Gedenkstätte Ravensbrück würdigte den Ort als einen Ort des Lebens, über den man nur glücklich sein kann. Zu Batsheva Dagan gerichtet sagte Jacobeit: "Sie gehört hierher."
Prominente Grußbotschafter
Das Begegnungsfest stieß auf große Resonanz. Unter den prominenten Grußbotschaftern war auch Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Er lobte das durch Privatinitiative entstandene Projekt als "bedeutsames Engagement". Er gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Begegnung zwischen Menschen beider Nationen den positiven Gedanken des Friedensmals in die Welt tragen und das deutsch-jüdische Verhältnis weiter festigen werde.
Dganit Daddo, bekannte Sängerin aus Tel Aviv, mit Schülern aus Haifa
"Überzeugende Darstellung einer Idee"
Kurz vor seinem Tod im August dieses Jahres würdigte der ehemalige Bundesminister und Geschäftsführer der SPD a. D. Egon Bahr das Friedensmal als "überzeugend gelungene Darstellung einer Idee". Die Installation inmitten der Landschaft sei sowohl Bereicherung wie auch Perspektive für das Leben jedes einzelnen Menschen.
Der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Rhein-Neckar erinnerte an die Annäherungen beider Staaten in den vergangenen fünf Jahrzehnten: "Es sind immer wieder Wunder geschehen. Wir hoffen auf weitere", so Hannes Greiling in Bensheim. Die Gedenkstätte als positiv besetzter Ort des Nachdenkens und der Versöhnung sei ein sichtbarer Ausdruck des Wunsches, dass auch in Israel und seiner Nachbarschaft endlich und dauerhaft Frieden herrschen möge.
Neuer Landrat und Bürgermeister würdigen die Freiheits- und Friedensstätte
Auch Vertreter der Kreis- und Kommunalpolitik folgten der Einladung zum Begegnungsfest. Der neue Bergsträßer Landrat Christian Engelhardt (CDU) sah in der Veranstaltung eine unmissverständliche Botschaft für den Frieden in der Gegenwart und in der Zukunft. Er betonte die historischen Konflikte zwischen Israel und Syrien – einer Region, aus der aktuell viele Flüchtlinge nach Deutschland kommen. "Wo Frieden herrscht, gibt es keinen Grund zur Flucht", mahnte der Kreispolitiker. Der Bensheimer Bürgermeister Rolf Richter (CDU) sprach von einer würdigen Veranstaltung. Er dankte Thomas Zieringer und dem Verein für die Ausdauer und das stete Engagement bei der Realisierung des Projekts. Das Vorhaben war in seiner über 15-jährigen Entwicklung mehr als einmal ausgebremst worden, ist aber immer wieder auch auf internationale Beachtung gestoßen.
Der Liedermacher und Songpoet Jens Eloas Lachenmayr
Israelische und deutsche Musik im Einklang
Musikalisch umrahmt wurde das Begegnungsfest von der Sängerin Dganit Daddo und dem Pianisten Yuval Keidar - beide aus Tel Aviv - sowie dem deutschen Liedermacher Eloas Lachenmayr. Das Zusammenklingen deutscher und israelischer Lieder wirkte gerade in der Verschiedenartigkeit spannend und harmonisch zugleich. Höhepunkt war die gemeinsame Vertonung des Psalms 126 ("Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten"), eine Uraufführung. Neu komponiert und auf deutsch getextet von Eloas Lachenmayr nach einer jüdischen Melodie.
Schüler aus Israel stehen im Kreis um die Blüte des Lebens in der Mitte des Friedensmals in Deutschland
Atmosphärische Intensität
Viele der Gäste lobten die atmosphärische Intensität der Veranstaltung, die zum Abschluss noch einmal ein eindrucksvolles Bild von Partnerschaft und Annäherung bot: Schüler des Bensheimer Goethe-Gymnasiums positionierten sich zusammen mit Gastschülern aus Haifa an der "Blüte des Lebens" im Zentrum der Stätte. Gemeinsam mit Dganit Daddo sangen sie das Lied "Jerusalem aus Gold". Im Anschluss legten sie weiße Kieselsteine aus Marmor an den Erinnerungsstein mit der Inschrift: Yerushalayim.
Das Banner Jerusalems wehte im Sonnenlicht über der Installation. Darunter die Flagge von Hessen. Beide mit einem Löwen im Zentrum. Für Thomas Zieringer ein verbindendes Element von starker Symbolkraft. Der Löwe sei eine Metapher für mutiges und gerechtes Handeln. Freiheit brauche mutige und gerechte Menschen. Er wünscht sich, dass dieser Ort als ein Sinnbild für Freiheit und Meinungsfreiheit in Zukunft noch stärker wahrgenommen werde.
Gemeinsam bringen Schüler aus Haifa, Israel und Bensheim, Deutschland "weiße Steine", die um die Blüte des Lebens in der Mitte vom Baum des Lebens gelegt waren zur "Seite der Hoffnung" des Jerusalem Erinnerungssteins und legen sie dort mit Segenssprüchen ab. Die Schüler hatten sie mit ihren Lehrern für diese Veranstaltung erarbeitet.
Damit wurde aus dem Jerusalem Erinnerungsstein als ein Grenzstein, der Jerusalem Erinnerungsstein als ein Stein der Begegnung.
Hintergrund: Das Friedensmal
Das private Projekt hat Thomas Zieringer erstmals 1998 im Kontext seines Buchs "Vision einer neuen Menschlichkeit" beschrieben. Ziel war eine öffentliche Installation als symbolisch aufgeladenes Zeichen der Versöhnung und Begegnung. Zugleich soll das Bauwerk für eine wache Erinnerungskultur und Selbstreflexion stehen. "Frieden beginnt im Innern jedes Einzelnen. Nur dort können wir etwas in uns und damit auch in der Gesellschaft verändern", so Zieringer. Die Stätte nimmt Bezug auf Jerusalem als tiefste Wurzel der europäischen Kultur wie auch auf die tiefe Verletzung in dieser Beziehung. Daher verweist die Friedens- und Freiheitsstätte auf die historische Verantwortung Deutschlands im Kontext einer lernenden Aufarbeitung der Vergangenheit. Der Ort ist allen Menschen gewidmet. Er steht für Schönheit und die Würde des Lebens und als positives Beispiel einer vorwärts gerichteten Gedenkkultur.Das Denkmal liegt am Europäischen Fernwanderweg Nr. 8 im Unesco-Geopark Bergstraße-Odenwald bei Bensheim. Das ist zirka 50 Kilometer südlich von Frankfurt am Main zwischen den Städten Heidelberg, Mannheim und Darmstadt.
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Lesen Sie hier ausführlicher über die Reden und Kommentare zur Einweihungsfeier. (Menüpunkt: Entwicklung)
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